Gespräch mit Viki von Vanilla Icedream

Viki, Alleinreisende & Bloggerin “Vanilla IceDream”

Innerhalb weniger Monate hat Viki ihren guten Job als Architektin gekündigt, einen VW-Bus ausgebaut und ist einfach auf unbestimmte Zeit aufgebrochen. Fast zwei Jahre hat sie alleine im Van gelebt und gearbeitet. Sie ist immer der Nase nach gereist, hat ihre Herzensgegend in den Fjorden Norwegens gefunden und sich dann – der Sonne nach – in den Süden treiben lassen…

Wie hast Du den Mut zum Alleinreisen aufgebracht, Viki? Du erzählst von Dir, dass Du eigentlich ein ziemlicher Schisser bist: nachts im Zimmer warten die Monsterchen auf Dich und so etwas…

Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, ob ich mutig bin oder nicht. Mir war wichtig, dass ich reisen wollte. Alleine unterwegs sein wollte, raus aus meinem (zu) schnellen Arbeitsleben und die Welt entdecken. Und ich wollte mit Cleo, meinem Hund, reisen – was als Backpacker einfach unmöglich ist. Selbst der Jakobsweg ist kompliziert, weil die Hunde nicht in die Unterkünfte dürfen… Viele Dinge fallen mit Hund einfach aus – aber mit Auto geht es.

Und ich habe auch nicht darüber nachgedacht, ob ich Angst davor habe – mir war einfach klar, dass ich das will. Deswegen bin ich los. Das ist das Wichtige: etwas zu machen, weil man es will – und nicht es nicht zu tun, weil man Angst hat…

 

Du bist auch sehr viel im Abseits unterwegs. Wo fühlst Du Dich denn in Deinem Van beim Übernachten am sichersten/ wohlsten?

Ich parke immer lieber ganz weit ab vom Schuss, am besten völlig außer Sichtweite. Denn auch wenn da nur ein einsames Häuschen steht: Vielleicht hat dieser Mensch den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als mir zuzugucken und dabei zu bemerken, dass ich ganz alleine bin. Also übernachte ich entweder in der Nähe von anderen Campern oder unsichtbar von allen.

 

Aber manchmal gibt es wahrscheinlich auch Orte, an denen Du Schiss hast, beispielsweise in der Nacht, wenn es Dir unheimlich ist?

Wenn ich ein schlechtes Bauchgefühl habe, dann gehe ich immer weg von diesem Platz. Immer. Auch mitten in der Nacht! Auch wenn der Platz nett aussieht, aber ich mich blöd fühle: weg!

Und wenn ich im Dunklen irgendwo hin komme – und im Dunklen sieht immer alles gruselig aus – dann sag ich mir: Es wird schon schiefgehen! Die Erfahrung hat mich einfach gelehrt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer zu dieser Zeit an diesem Ort ist, der genau auf mich gewartet hat und mir Böses will… einfach gegen Null geht. Und ich hab noch nie gehört, dass in Europa jemand auf diese Weise überfallen wurde. Dafür schon ganz oft, dass da, wo Menschen sind, etwas passiert, also am Bahnhof, nach der Party… Das sind die Orte, wo die Leute Probleme bekommen, nicht irgendwo abseits im Wald.

 

Hast Du Dir Sicherheitsvorkehrungen eingebaut, die Dich schützen, wenn Du im Auto liegst?

Ich habe zwar ein Pfefferspray, aber das sollte man ja innen nicht verwenden… Also benutze ich gar nichts.

 

Ich glaube ja auch, dass das vielleicht der größte Trick ist: Wenn man so cool abseits steht, dann vermittelt man einfach den Eindruck, keine Angst zu haben, kein Opfer zu sein – das schreckt vielleicht schon genug ab.

Ja, das glaube ich auch. Dieses große, selbstbewusste Erscheinen ist so wichtig! Das mach ich auch, wenn ich zum Beispiel von einer Party komme: da mache ich mich auch richtig groß – obwohl ich ja so n kleiner Furz bin. Ich marschiere super laut, knall so richtig mit den Füßen, komm echt wie ein Handwerker daher…

 

Hattest Du auf Deinen Reisen schon unangenehme Situationen, in denen Du Dich schützen musstest?

Nein, so richtig Schlimmes nicht. Aber in Spanien am Strand lag ich mal im Bikini im Auto, Hecktüren auf und habe gearbeitet. Da läuft ein Typ (mit seinem Kind auf den Schultern!) vorbei, kommt zurück und filmt mich… Ich ihn direkt angebrüllt, ihm war es gleich unangenehm. Ich hab ihn so beschimpft! Das war doof und unschön, aber nicht richtig schlimm. Das nächste Mal würde ich aber noch viel aggressiver reagieren, weil es mich so geärgert hat.

 

Hast Du Dich dann nach dieser Situation irgendwie geändert, anders angezogen oder so?

Nein. Das war ja am Strand, da war ich strandtypisch gekleidet. Solche Typen machen sicher von allen Frauen am Strand Fotos. Aber ich achte sehr darauf, mich landes- und kulturgerecht zu kleiden. Das ist auch eine Frage von Respekt. Ich habe wenig Verständnis für Frauen, die sich in bestimmten Regionen unpassend kleiden und sich dann über die Reaktionen beschweren. Wenn man alleine reist, unsicher ist und Wert legt auf Selbstschutz, dann ist eine angemessene Kleidung wichtig. Ich sage nicht, dass kurze Röcke ein Freifahrtschein sind, aber wir können solche Männer nicht ändern, schon gar nicht in kurzen Röcken.

 

Fühlst Du Dich eigentlich überall sicher? Du bist ja kürzlich mit Deinem Freund durch Zentralasien gefahren: würdest Du Dir das auch alleine im Van zutrauen?

Ja, auf jeden Fall. Alleinreisen macht mich nicht unbedingt unsicherer, überall kann Dir irgendwas passieren… Natürlich ist es schöner, wenn man einen Mann dabei hat, der auf einen aufpasst, aber dafür hat halt dann der Mann voll den Druck… Die Männer haben dann mehr Angst, als wenn sie alleine wären, weil sie dann irgendwie die Verantwortung tragen. Allerdings ist fragwürdig, wie viel ein Mann bei einem Überfall ausrichten könnte.

 

Nach fast zwei Jahren alleine im Van warst Du dann permanent zu zweit unterwegs. Hattest Du da nicht den Gedanken, ab und zu wieder ein wenig allein sein zu wollen?

Ja, hatte ich. Ich finde das Alleinreisen so augenöffnend! Wie Therapie. Ich habe meinem Freund gesagt, dass ich zwischendrin auch mal wieder allein unterwegs sein möchte, dass er das auch mal lernen sollte, mit sich alleine zurecht zu kommen… Viel mehr als die Alleinreisenden bewundere ich eigentlich diejenigen, die in ihrer Beziehung immer mal wieder das Alleinsein zelebrieren. Die nicht mehr auf diesen Genuss verzichten möchten und es einfach tun.

 

Drei Jahre am Stück lebtest Du insgesamt in Deinem kleinen Bus. Frisch in Deutschland zurück, bist Du jetzt dabei, hier wieder anzukommen. Obwohl Du einen festen Job hast, willst Du aber nicht in eine Wohnung ziehen, sondern Dir in einem größeren, wieder selbst ausgebauten Camper Dein Zuhause einrichten. Hast Du gar keinen Anker, zu dem Du zurückkommen möchtest?

Nein. Aber das ist auch OK so. Ich bin ja in Kasachstan geboren und bin in meinem Leben schon so oft umgezogen, war immer irgendwie fremd und habe mich nirgends je zuhause gefühlt. Das Gefühl, kein wirkliches Zuhause zu haben, war vielleicht auch der Grund, so lange unterwegs zu sein… Auf der Reise mit meinem Freund nach Tadschikistan bin ich auch durch Russland, habe all meine Verwandten besucht und bin dann zu meinem Geburtsort gefahren. Nicht mit dem Gedanken, dass Kasachstan vielleicht doch mein Zuhause ist, aber ich habe in dieser Zeit etwas gelernt, nämlich, dass Zuhause überall dort ist, wo ich die Leute, die ich liebe, lieben kann. Und aus dem Gefühl: „Ich bin nirgendwo zuhause“ ist ein „Ich bin überall zuhause“ geworden… Das war eine wahnsinnig schöne Erkenntnis und hat eine riesige Wunde in mir geheilt.

 

Ich freue mich immer so sehr, wenn ich meine Herzbegegnungen, die ich unterwegs treffe, nach ihrem Sinn des Lebens fragen darf. Was würdest Du auf diese Frage antworten?

Dem Herzen folgen. Und natürlich: nie aufhören zu lernen! Und lernen, glücklich zu sein. Ich hatte die wunderbare Erkenntnis, dass mein Glück nicht außen liegt, sondern innen. Ich kann es also überall finden, nicht nur auf Reisen.

Und zum Sinn des Lebens gehört für mich auch, dass man etwas bewegt. Wobei es gar nicht sein muss, dass man im Außen etwas bewegt – es reicht, dass man so klar ist, um anderen Menschen vielleicht als Vorbild zu dienen… und sie so bewegt.

Aber seinem Herzen zu folgen ist der allergrößte Sinn, finde ich. Und das sollte man auch immer wieder überprüfen.

 

Hast Du ein Ritual, eine Strategie Dich zu fragen, ob Du wirklich nach Deinem Herzen lebst?

Ich habe durch ein Buch („Die Seele will frei sein“ von Michael A. Singer) gelernt, wie man meditiert. Und wenn ich an meinem eigenen Ort – in mir – bin, kann ich mir Fragen stellen, die in einer fast unheimlichen Lautstärke von meinem Inneren beantwortet werden. Das hat mich total umgehauen, das kann ich nur empfehlen.

Und dann habe ich auch noch einen Trick, wenn ich vor einer Entscheidung stehe, was ich wirklich tun möchte: Ich stelle mir vor, wie ich entscheiden würde, wenn ich wüsste, dass mein Leben nur noch ein Jahr dauert. Da kommen auch immer ganz klare Antworten zu meinem Sinn des Lebens!

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